Michael Möller, Geschäftsführer und Geschäftsleitung für die Bereiche Unternehmensgruppe und Digitalisierung bei der WIKUS-Sägenfabrik. © Mario Zgoll

„Das kommt ja nicht ganz unverhofft.“ – Wir trafen Michael Möller von der WIKUS-Sägenfabrik

Wenn sich der Besuch in einer Sägenfabrik im nordhessischen Spangenberg plötzlich ein bisschen wie in einem urbanen Start-up anfühlt, wächst die Neugier, welcher Wind hier weht. Und wie der für seine Innovationskraft ausgezeichnete Mittelständler WIKUS auf die Herausforderungen unserer Zeit reagiert. Wir trafen Geschäftsführer Michael Möller. 

Sie sägen sich durch Metall, Glas, Naturstein, Beton und auch Holz. Die Sägebänder der WIKUS-Sägenfabrik sind „made in Nordhessen“. Im beschaulichen Städtchen Spangenberg produziert, werden sie in alle Welt vertrieben.

Nähert man sich der Sägenfabrik, fällt der Blick auf das Schloss Spangenberg, das vor sommerlich blauem Himmel über dem Ort sitzt. Wer sich allerdings von der gemächlichen Stimmung des Sommertages täuschen lässt, erlebt eine Überraschung, wenn er die neue Firmenzentrale der Sägenfabrik betritt.

2018 eröffnet, ist das moderne Administrationsgebäude eine starke Aussage. Denn wer vielleicht soliden, aber schwerfälligen Mittelstand erwartet hat, der wird schnell eines Besseren belehrt. Das WI.com genannte Gebäude macht die erfolgreiche Verschmelzung lokaler Wurzeln mit globaler Strategie und Innovationsgeist erlebbar. Während in den benachbarten Werkshallen die Sägebänder ihre Reise um die Welt antreten, steht die Offenheit und Flexibilität der modernen Architektur für ein neues Arbeiten. „Offenheit in Raum und Kopf ist die Philosophie, die wir hier leben“, bestätigt Michael Möller, einer der Geschäftsführer, den Eindruck nicht ohne Stolz. „Da sind wir vielleicht ein bisschen das Google der Metallindustrie.“

600 Mitarbeiter arbeiten am Standort Spangenberg sieben Tage die Woche an der Erfolgsgeschichte des Mittelständlers. Und im Gespräch mit Geschäftsführer Michael Möller wird schnell deutlich, dass die kontroversen Themen des Welthandels und der Brexit hier ganz nah sind.

Der Blick auf den Brexit ist entspannt, es sind andere Themen, die für das Familienunternehmen gerade drängender sind. © Mario Zgoll

Um eine Einordnung gebeten, welche Auswirkungen der Brexit auf das Unternehmen hat, findet Michael Möller klare Worte:

„Der Brexit ist relevant, aber ganz persönlich glaube ich, dass die Themen, die den Brexit heute wirtschaftlich anbelangen, alle schon erledigt sind. Die Wirtschaft hat sich auf den Brexit eingestellt und diesen auch eingepreist. Wir tun zwar gerade so, als ob es ein Thema der letzten neun Monate ist. Aber die Situation ist ja nicht ganz unverhofft.“ Schließlich sei das Thema seit 2016 auf der Agenda, macht Möller deutlich.

So klingt ein Unternehmen, das sich seiner eigenen Resilienz in Krisen bewusst ist. Nachgefragt, woher die Sicherheit im Umgang mit wirtschaftlich herausfordernden Zeiten kommt, bringt Michael Möller die Finanzkrise von 2009 ins Spiel: „Quasi von heute auf morgen sind uns 30 bis 40 % Umsatz weggebrochen. Im 51. Jahr unserer Firmengeschichte mussten wir zum ersten und einzigen Mal Kurzarbeit einführen und uns zu betriebsbedingten Entlassungen durchringen.“ Von den Mitarbeitern, die das Unternehmen damals mit Aussicht auf Wiedereinstellung verlassen mussten, ist der Großteil zurückgekehrt.

In Spangenberg produziert, werden WIKUS-Sägebänder über 50 Handelsvertretungen in alle Welt verkauft. © Mario Zgoll

Konsequenter Erfolg: in 60 Jahren keine rote Zahl

Möller betont, dass die konsequente Reaktion des Unternehmens erfolgreich war. WIKUS ging mit einem positiven Ergebnis aus dem Geschäftsjahr hervor. „Das Unternehmen hat in 60 Jahren keine rote Zahl geschrieben“, erklärt er.

Die Krise war auch ein Lernen: „Die Fragen, die wir für uns beantworten wollten, waren: Wie können wir solche Situationen zukünftig besser beheben? Wie können wir schneller und zielorientierter solche Tendenzen erkennen?“, beschreibt Möller die Situation. „Auch wenn das vielleicht bedeutet, kurzfristig einschneidende Entscheidungen zu treffen.“

Eine Konsequenz war die stärkere Internationalisierung und Diversifizierung der Unternehmensstrukturen. Näher dran an den wichtigsten Märkten und somit auch besser informiert über Entwicklungen, die Einfluss auf das eigene Unternehmen haben könnten. Die Strategie zahlt sich aus: Das Unternehmen ist heute mit acht Tochtergesellschaften weltweit vertreten – in den USA, Kanada, Indien, aber eben auch in Europa, wo WIKUS mit über 40 % Marktanteil Marktführer ist.

Zum 60-jährigen Jubiläum wurde 2018 die neue WI.com-Firmenzentrale eingeweiht.

Global handeln, lokal denken

Doch zurück zum Brexit. Erstaunlich entspannt scheint hier die Unternehmensperspektive auf die möglichen Brexitszenarien. Der Austausch mit den Geschäftspartnern vor Ort war ein wichtiges Element, wie Möller sagt: „Wir haben natürlich mit unseren Partnern in UK gesprochen und gefragt, wie sie die Situation sehen. Und wir haben beobachtet, wie sich das englische Pfund entwickelt, das ja nach dem Referendum erheblich an Wert verloren hat, wodurch die Situation im Markt für unsere Vertriebspartner schwieriger geworden ist. Das haben wir kompensieren können. Tatsächlich haben wir seit 2016 keinen großen Einbruch erlebt, sondern ein kontinuierliches Umsatzwachstum.“

Es sind andere Themen, die in Spangenberg gerade im Vordergrund stehen, sagt Michael Möller: „Andere Krisenherde sind momentan viel wichtiger: Der Irankonflikt, das Thema Trade War zwischen den USA und China oder auch zwischen der EU und den USA bezüglich der Zölle und die Unberechenbarkeit der daraus resultierenden Entscheidungen der Akteure.“

Grundsätzlich ist man bei WIKUS bestrebt, ein Auge auf die Entwicklungen in den wichtigen Märkten zu haben, denn man muss Krisen erkennen, um darauf reagieren zu können. Dann ergeben sich auch Handlungsmöglichkeiten, so Möller: „Spielraum habe ich immer, ich muss ihn nur sehen.“

„Präzision an der Schnittstelle“ – der Claim der WIKUS-Sägenfabrik. © Mario Zgoll

Was bleibt zu tun?

Bei WIKUS steht die Eigentümerfamilie im Mittelpunkt und trägt Entscheidungen wesentlich mit. Darin steckt die Verbindlichkeit. Verbindlichkeit steht auch hinter der Entscheidung, in den letzten fünf Jahren allein 50 Millionen Euro am Standort zu investieren. Das signalisiert eine klare Entscheidung für Spangenberg als Produktionsort, an dem Produkte produziert werden, die den Wettbewerb aus den sogenannten Billiglohnländern ausstechen. Man merkt, dass sich Eigendynamik und Offenheit hier effizient ergänzen.

Möller benennt auch die Rahmenbedingungen als grundlegend, wie etwa den Ausbau des Breitbandnetzes, ohne den man nicht über Digitalisierung zu reden brauche. Die Infrastruktur, das Logistiknetzwerk sind hervorragend, sagt er: „Ich sehe viele Vorteile, Sicherheit, politische Sicherheit, Infrastruktur – all das sind Themen, die auch Investoren wichtig sind. Als einen Schwachpunkt sehe ich noch das Thema digitale Infrastruktur.“

Auf die Frage, was sich ein innovationsstarker Mittelständler wie WIKUS dann noch wünschen könnte, hat Michael Möller eine klare Antwort: „Mittelständler wie wir sind gerade von Seiten der Politik etwas aus dem Fokus geraten. Dabei sind hier die meisten Arbeitsplätze angesiedelt und aus diesen Unternehmen kommen auch die meisten Patente. Ich würde mir wünschen, dass die Politik diese Unternehmen wieder verstärkt ins Zentrum ihrer Arbeit stellt und den Wirtschaftsförderungen entsprechende Möglichkeiten an die Hand gibt.“

Aber Möller gibt sich auch durchaus selbstkritisch: Viele Mittelständler hätten sich in der Vergangenheit eher zurückgezogen gezeigt und wenig geöffnet. Aber in dieser Hinsicht sei ein deutlicher Umbruch in den Unternehmen zu bemerken. Und dann, so Möller, müsse man vielleicht nicht mehr vom Hidden Champion sprechen: „Entweder ist man Champion oder eben nicht. Aber Hidden Champion passt nicht zusammen.“

In Spangenberg gehört das solide Selbstvertrauen zum Handwerkszeug. Und das ist vielleicht das Geheimnis, das die Resilienz und Innovationskraft des Unternehmens begründet.

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